HeinerM

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14 years ago @ webMoritz.de - Arndt und die Bürger:... · 2 replies · -9 points

Die gestrige Bürgerversammlung im St. Spiritus zur Namensdiskussion an der Uni ist durch den kurzen Artikel in der heutigen OZ recht gut beschrieben: Die Greifswalder Bürger, die sich an der Namensdiskussion beteiligen, sind in erster Linie militärfreundlich und um das liebe Vaterland besorgt (um es vorsichtig auszudrücken) und lehnen die Namensänderung ab.

Die Arndt-Kritiker wurden während dieser Veranstaltung häufig mit höchst demagogischem Gestus als Demagogen entlarvt. Der Umgang mit dem Werk Arndts, um seinen Antisemitismus und Nationalismus zu begründen, wurde als eklektiszistisch bezeichnet und daher als unsachlich zurückgewiesen; seine Europafreundlichkeit und Modernität hingegen sind eindeutig durch vier Verse eines Gedichts, in denen das Wort Europa vorkommt, bewiesen. Den Arndt-Kritikern wurden fehlende Fakten für die Argumentation vorgeworfen; die Aufforderung hingegen, den Namen beizubehalten, wurde durch das unwiderlegbare Argument "Ist doch selbstverständlich!" unterstützt.

Das Bild, das die gestrige Veranstaltung bot, war, daß der Greifswalder Bürger männlich und mindestens 70 Jahre alt ist und irgendwann in den fünfziger oder sechziger Jahren in Greifswald studiert hat (Ausnahmen bestätigen die Regel), wodurch sich der Gedanke festsetzt, daß es weniger um den Namen der Universität und seine Beibehaltung geht als um die eigene Identität ("Das sollen uns die Wessis nicht auch noch wegnehmen!").

Ich hielt Greifswald bisher nur für konservativ. Der gestrige Abend zeigte mir aber, daß das stockkonservative katholischen Bayern geradezu ein Leuchtturm der Aufklärung ist, im Vergleich zu der Ansammlung verbohrter und verbiesterter Traditionalisten und chauvinistischer Militaristen, die die "Greifswalder Bürger" repräsentieren. Teilweise wurde mir angesichts des imaginären Säbelgerassels des anwesenden Pommertums speiübel.

Selbst der normalerweise zurückhaltende Joachim Wächter hielt eine große Volksrede, die vor Geschichtsklitterungen nur so wimmelte; beispielshalber habe es ja erst mit Zerstörung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch den Fremdherrscher und Tyrannen Napoleon eine Vielstaaterei in Deutschland gegeben, und Arndts Forderung, allen Franzosen den Schädel einzuschlagen, sei zur "Wiederherstellung" des "einigen Vaterlandes" völlig berechtigt - eine bewußt irreführende Voraussetzung für eine komplett falsche Folgerung. Und so den ganzen Abend. Es war scheußlich!

Natürlich gab es auch ein paar löbliche Ausnahmen - eine von den wenigen war z. B. Sebastian Ratjen, der sich eindeutig für die Beibehaltung des Namens aussprach, aber die Diskussion um ihn für wichtig und unverzichtbar hielt. Wenn aber ein Herr Ratjen, der ja bekanntermaßen auch gerne die rechtsextreme "Modemarke" Thor Steinar verteidigt, die positive Ausnahme ist, kann man sich den Rest vorstellen.

Einziger wirklicher Erkenntnisgewinn: Ein Besucher nannte im Unterschied zu allen anderen seinen Namen nicht, obwohl er mehrere Wortbeiträge leistete. Erst als jemand auf die Namensnennung bestand , lernten wir ihn kennen: Den berühmten-berüchtigten Leserbriefschreiber "Bodo Müller aus Potthagen". Er ist so, wie seine Leserbriefe in der Ostsee-Zeitung...

Wenn der Senat bisher nicht überzeugt davon war, den Namen abzulegen, so war die gestrige Veranstaltung bestens dazu geeignet, genau das zu erreichen!